Samstag, 5. Januar 2019

Happy new Desaster

Im Sommer sind wir zu dritt, sagt sie und dann gratulieren alle. Glückwunsch, murmele auch ich und versuche dabei möglichst glücklich grinsend auszusehen. Eigentlich kämpfe ich gerade mit den Tränen. Dann geht es auch schon los: Schwangerschaftsübelkeit, Schmerzen, Zunehmen, was passiert mit meinem Körper. Wann sieht man wohl die ersten Anzeichen. All das, worüber werdende Mamis reden und werdende Mamis oder bereits Mamis - das sind hier alle weiblichen Wesen - nur ich nicht... Nach einiger Zeit kann ich auch da kein Interesse mehr heucheln und starre bedröppelt vor mich hin. Ich fühle mich gerade so, als wenn ich nicht mehr dazu gehöre. Was machen die Dates, fragt eine Freundin und reisst mich damit aus meinen Gedanken. Es gibt keine mehr, winke ich ab. Ich will darüber jetzt nicht reden. Ich will bei dieser ganzen Happy-Family-Story jetzt nicht der sein, der das nicht geschafft hat. Der, über den gelacht wird... Und sie lachen laut. Los, erzähl, sagt sie, hast du wieder solche Idioten getroffen. Ich schüttele mit dem Kopf. Ich hab keine lustigen Geschichten mehr. Man hört an ihrer Stimme, dass sie nur was zum drüber lustig machen sucht und ich will nicht derjenige sein, auf dessen Kosten das jetzt geht. Mich macht das nur noch traurig. Ich bin froh, dass wir mit Raclette anfangen. Nach drei Pfännchen ist Schluß und ich stochere in den Resten auf dem Teller rum. Iss noch was, sagt ein Kumpel. Ich schüttele den Kopf: Satt, murmele ich, aber eigentlich ist mir schlecht. Schlecht von den ganzen Erinnerungen und miesen Erfahrungen, die wieder hochgekommen sind. Ich bin ja selbst Schuld, ich lasse es zu...

Nach dem Essen kommt direkt mein zweitliebstes Thema: Hast du schon mal wieder was von deinem Ex gehört? Es ist mein Ex, ich bin froh, wenn ich nichts davon höre... Ich erzähle, dass meine Mum ihn bei Aldi getroffen und ausgequetscht hat. Er würde jetzt sein Leben genießen, aber ist immer noch voll am Leben vorbei. Leben genießen bedeutet wohl mit irgendwelchen Z-Promis was zu haben und das jedem auf die Nase zu binden. Der kauft sich die Frauen mit Geld, sagte meine Mami damals, anders bekommt er keine ab. Er hatte mich, ich bin nicht stolz drauf, aber ich war verdammt noch mal nicht gekauft. Irgendwas scheint bei mir ganz furchtbar falsch zu laufen. Sei froh, dass du ihn los bist, sagt ein Kumpel, der früher super mit meinem Ex klar kam. Er habe sich noch einmal mit ihm getroffen, stolz erzählt, dass seine Frau schwanger sei und nur angewiederte Blicke geerntet und sich dann Stories anhören müssen, wie geil er sei und wen er alles hatte. Nutten zahlt man mit Geld, Frauen mit Aufmerksamkeit, denke ich. Ich bin froh als das Thema vorbei ist und noch glücklicher bin ich, dass ich da viel zu spät doch raus gekommen bin.

Alle guten Dinge sind drei, alle schlechten anscheinend auch. Und wieder suchen sie mir irgendwelche Männer, mit denen ich ja zusammensein könnte. Diesmal trifft es den Trauzeugen. Das würde dann ja auch super passen, sagt meine Freundin, beide Trauzeugen zusammen. Ich kann nicht mal mehr lächeln. Es spukt zu viel in meinem Kopf rum, aber eine Sache wiederholt sich in meinem Kopf immer wieder, lässt mich nachts immer wieder aufwachen: Der Brautstrauss soll geworfen werden und alle zerren mich auf einen Platz und ich wehre mich, weil ich die einzige bin, schreie, weine, ich will da nicht hin. Dann wache ich jedes mal auf.

Die Argumente, warum nun dieser Typ wieder der absolute Traummann für mich wäre, sind genauso bescheuert wie die Idee an sich. Er hat ein Auto, er verdient gut und er ist tierlieb. Großartig, wie viele Millionen andere Männer auch. Beifall, Mädels, so fängt man Schlampen, ich hoffe ernsthaft, dass eure Beziehungen auf anderen Säulen stehen. Ich verabschiede mich wieder in meine Gedankenwelt.... Alter wäre ja nicht so wichtig, bla bla. Sie stalken seine Facebookseite und die Fotos, die ein Kumpel von den beiden in Kourou auf Geschäftsreise gemacht hat. Eine Freundin hält mir das Handy unter die Nase: Hier, guck mal, wäre der nichts für dich? Guck mal, der ist doch gar nicht so schlecht. Ich habe schon vor langer Zeit aufgehört "gar nicht mal so schlecht" zu daten, ich will wohl fühlen, kribbeln und intensive Blicke. Ich kenne ihn live, sage ich, du brauchst mir die Bilder nicht zeigen. Oh lala ihr kennt euch, grinst sie. Er war letztens auch hier, nichts besonderes, sage ich. Ja, aber guck doch mal..., versucht sie weiter. NEIN, sage ich. Ich glaube sie hat jetzt verstanden, dass es zu weit geht. Dann gehen sie wieder in ihren Freundeskreisen alle möglichen Kandidaten durch und lachen sich halbtot, weil das wieder ein Fall für eine lustige Story wäre. Ich bin es leid und höre nicht mehr zu. Offenbar gibt es da nur noch Idioten. Ich gehöre jetzt wohl zu denen.

Ich bin froh, dass sie sich bis Mitternacht mit der Reise nach Kourou eines Kumpels und der bevorstehenden Hochzeit beschäftigen können. Ich erzähle den Abend über kaum etwas. Ich habe nichts zu erzählen, was hier irgendwen interessiert. Will keiner wissen, wo ich mit meiner Kollegin essen war oder ob wir Basketball oder Eishockey geguckt haben. Dass wir uns Disney on Ice angucken werden, wenn die das erste Mal stillen oder die ersten Tritte spüren, ist jetzt auch eher fehl am Platz zu erwähnen. Früher, da haben wir sowas alle zusammen gemacht. Da haben wir uns mit den Fächern mit denen im Stadion Lärm gemacht wird, selbst geprügelt oder ungenießbare Cocktails probiert, die unsere Freunde nach paar Promille gemixt haben und wir haben gelacht über jede Fratze, die dabei gezogen wurde. Das ist lange her.

Es ist nicht so, dass ich dieses Familiending nicht will, es hat sich nur einfach nicht ergeben und weil ich nicht in die Zukunft schauen kann, weiß ich nicht, ob ich es jemals bekomme. Möglicherweise bleiben hier Wünsche unerfüllt. Man sagt, man wäre so lange alleine bis man gelernt hätte alleine zu sein. Ich denke, ich war ziemlich gut im letzten Jahr. Mir fehlt nichts. Mir versucht nur immer wieder mein Umfeld einzureden, dass da etwas nicht stimmt. Ich hab viele neue Freunde im letzten Jahr gefunden. An mir liegt es nicht. Och, bei Shoppingqueen, sagte meine Mama, da sind die verrückten Weiber über 50 meist alle alleine. Ja, sage ich, die sind alleine, weil die Welt kaputt ist.

Es ist kurz vor Mitternacht. Bewaffnet mit Sektgläsern zählen wir den Countdown und wünschen uns ein frohes Neues. Wir wandern dieses Mal lustig um den Tisch bis wir jeden geknuddelt und mir jeder zum Geburtstag gratuliert hat. Dann stehe ich alleine da, weil die Paare sich im Arm haben und rumknutschen. Ich würde auch so gerne wissen, wie sich diese ominöse Liebe anfühlt, aber ich bin vielleicht zu sehr Kopfmensch dafür. Ich trinke mein Glas aus und gehe schon mal raus. Zwei Mädels zünden Wunderkerzen an. Eine dritte ist über. Ich warte auf N., sage ich. Als sie rauskommt, wechseln wir paar Wörter, dann hat sie wieder das Babyphone am Ohr. Unsere Wunderkerze bleibt dieses Jahr aus.

Die Mädels machen fröhlich weiter mit 4 Kilo in den ersten Wochen zugenommen. Seltsame Dinge, die Frauenärzte tun und was darf ich alles essen. Mir erscheinen die Männergeschichten gerade spannender, warum er den Corsa gegen einen Clio getauscht hat. Die Stunde Fahrt nach Hause verbringe ich in Gedanken. Verpasse ich etwas, wenn ich das nicht mitmache? Ich habe mir das früher immer gewünscht. Dieses Familienbild, toller Mann, Haus und eine niedliche Familie davor, bei der alle lächeln. Ich wollte es besser machen als meine Mama. Und alle haben immer gesagt, ich bin die erste, bei der es so weit ist. Manchmal kommt es anders als man denkt.

Meinen Geburtstag verbringe ich dieses Jahr alleine auf dem Sofa. Kein Kuchen, keine Geschenke, kein Lachen. Nicht mal meine Eltern rufen an, eine kurze Nachricht ersetzt das jetzt wohl. Ich finde das traurig. Gefühle müssen in Smilies ausgedrückt werden und weil ich wenige Smilies benutze, sagen einige zu mir, ich sei kalt, würde böse klingen. Witzig, dass sowas gerade von den Menschen kommt, denen es so schwer fällt jemanden einfach mal zu loben oder etwas positives vor anderen über jemanden zu sagen, Dabei ist es so wichtig, dass man Anerkennung bekommt. Aber hey, der Fehler liegt bei mir. Nun gut, wenn es zur Lösung eines Problems führt, dann bin ich gerne Schuld.

Ich denke den ganzen Tag mehr oder minder darüber nach, ob es irgendwen stören würde, wenn ich jetzt nicht mehr hier wäre. Nun, aktuell wohl nicht. Es ist niemand hier. Whatsappgrüße kann man in die ganze Welt schicken. Im Job bin ich ersetzbar, wie wohl jeder andere auch. Einen Partner gibt es nicht, zu Geschwistern wenig Kontakt. Es gibt einige Freunde und trotzdem fühlt es sich so an, als wenn ich hier nicht hingehöre. Ich fühle mich hier falsch. So, als wenn alle einen Level weiter wären, ich den Endgegner nicht schaffe und wir spielen nicht mehr im gleichen Team. Ich fühle mich gerade eher nach Reset und noch mal neu anfangen.

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