Sonntag, 27. Mai 2018

Make a wish

Wir haben uns online kennen gelernt. Das war vor ein paar Wochen. Du hast bereits Kinder. Das war wohl der Grund, warum ich dich weggdrückt habe und dann hast du mich angeschrieben. Ich habe wirklich alles gemacht, was Männer hassen, damit du mich in Ruhe lässt. Das hast du nicht.

Ich hatte ziemlich schnell deine Nummer, aber ich hab es ignoriert. Ich will das nicht, habe ich immer wieder versucht mir einzureden. Da ist dein kleiner Sohn, du bist Soldat. Das ist schon einmal schief gegangen. Ich will nicht noch einmal hilflos dastehen, weil das Leben einen anderen Weg für dich geplant hat. Aber du bist aufmerksam, du erinnerst dich an unendlich viele Dinge, die ich erzähle. Schreib mir per Whatsapp, schickst du mir eines Morgens, ich habe während der Arbeit schlechten Empfang auf der Singleapp und da schreibe ich dir.

Magst was haben, tippst du. Ich verstehe die Frage nicht. Okay, nen Wunsch, schreibst du. Villa, Sportwagen, Familie? übertreiebe ich. Du schickst ein Bild einer Villa, eines Sportwagens und ein niedliches Bild von dir und deinem Sohn. "Familie" schreibst du darunter.  Mir gefällt die Familie. Der Rest ist zu materiell. Nen anderen Wunsch, schreibst du. Ist heute Wunschsamstag? fragte ich ganz verwirrt. "Für dich ja 😘 - aber ob man es bekommt, ist was anderes" und dann versuchst du mir jeden noch so verrückten Wunsch zu erfüllen.

Ich kann gar nicht sagen, wann ich mir eingestanden habe, dass du doch sehr interessant bist - trotz der ganzen Dinge, die für mich nicht gepasst haben. Auf einmal ist dein Kleiner süss und das Soldat sein toll, weil ich auf Männer stehe, die mich beschützen können. "Du, ich muss dir noch etwas sagen, auf die Gefahr hin, dass du mich nicht mehr magst" und dann erzählst du, dass du eigentlich weit im Süden wohnst und nur zum Arbeiten hier im Norden bist, dass dein Haus, deine Familie, dein Sohn und deine Freunde alle dort unten sind. Ich bin mir nicht sicher, ob ich lachen oder weinen soll und dann mache ich den nächsten komplett unbegründeten Aufstand, weil ich mich verarscht fühle, denn ich denke ich soll für dich nur Spass sein. Du schreibst immer wieder, dass das nicht so wäre. Ich muss dir glauben, es bleibt mir nichts. Das heisst dann keine gemeinsamen Wochenenden, das heisst dann weiterhin alleine zu Geburtstagen oder Treffen mit Freunden, das heisst weiterhin morgens alleine aufwachen und niemanden zum kuscheln haben. Ich weiss nicht, warum, aber ich kann mit der Vorstellung leben in diesem Moment - dir zuliebe.

Wir beschließen uns zu sehen. Dazwischen stehen noch unendlich lange Wochen mit Kur und Urlaub. Ich versuche es einfach zu ertragen, weil ich will, dass es dir gut geht. Irgendwann kommt die Nachricht, dass es für dich wieder in den Norden geht. Endlich... Als du morgens auf dem Weg gen Norden bist, machst du mir Hoffnungen, dass wir uns an diesem Tag schon sehen könnten um mich dann wenige Minuten später durch deinen Kumpel zu ersetzen.

Tage später ist es endlich so weit und ich freue mich den ganzen Tag unheimlich auf dich. Nach riesigem Verkehrschaos bin ich endlich am Treffpunkt. Du turnst allerdings noch durch irgendwelche Läden in der Nähe. Du wärest drin, schreibst du irgendwann. Ich gehe in das Café, sehe mich um. Da ist niemand, der zu den Bildern passt. An der Bar sitzt ein Typ. Er schaut aufs Handy. Ich schaue auf meins. Er tippt. Bitte lass den das nicht sein, denke ich, der passt nicht so wirklich zu den Bildern. Gar nicht mein Fall. Ich gucke wieder aufs Handy, nichts neues. Vll ist er das gar nicht, fange ich an zu zweifeln. Er schaut hoch, guckt mich direkt an. Keine Reaktion. Okay, denke ich, das ist er wohl nicht. Aber sicher bin ich mir auch nicht. Ich drehe mich um.

Und da stehst du vor mir. Ich weiss nur noch, dass wir beide gelächelt und uns umarmt haben. Die nächsten Minuten sind wie weg. Ich muss dich eine ganze Weile nur angestarrt haben. Das nächste woran ich mich wirklich erinnere ist, dass wir uns gemütlich auf ein Sofa setzen, Getränke sind bestellt und ich starre dich vermutlich immer noch an. Überraschend würde ich sagen, ich hatte damit gerechnet, dass du mir gefällst, ich hatte aber nicht in Betracht gezogen, dass du es so sehr tust...

Wir unterhalten uns richtig gut, lachen viel, es gibt auch stille Momente aber keineswegs unangenehm. Da schauen wir uns nur dümmlich grinsend an. Irgendwann fragst du: Und wie ist? Sag mal... Besser als ich dachte, antworte ich. Wir lachen beide. Du nimmst meine Hand, streichelst sie, rutschst immer näher an mich ran. Du schließst die Augen als wolltest du mich küssen, ich spüre deinen Atem. Dann ziehst du im letzten Moment deine Lippen weg. Ich schaue dich ganz entsetzt an. Du lachst und sagst, auch du könntest spielen. Ich muss auch lächeln. Dann küsst du mich wirklich und für mich bleibt in dem Moment die Welt kurz stehen. Deine warmen weichen Lippen fühlen sich wahnsinnig gut auf meinen an.

Dann können wir die Finger kaum noch voneinander lassen. Bisschen Streicheln, Händchen halten. Ich will mit dir alleine sein, flüsterst du als wir später vor der Bar stehen, lass uns zu dir. Das verneine ich. Wir suchen uns einen ruhigen Platz im Auto, unterhalten uns, testen bisschen aus, was möglich ist. Wir sollten uns bald mal wieder sehen, sagst du. Sehr bald antworte ich zögerlich. "Bald mal"- das klingt nicht so, als wäre da irgendwas. Aber das Treffen war so toll und überwältigt von allen positiven Gefühlen, fahre ich fröhlich grinsend nach Hause. Ich lege mich ins Bett, starre die ganze Zeit aufs Handy, nehme die Decke in den Arm und wünsche mir, dass du hier wärst zum kuscheln, küssen, zum da weitermachen, wo wir aufgehört haben. Normalerweise müsste doch jetzt etwas kommen wie: "Ich würde dich gerne wiedersehen" oder "Danke für den schönen Abend, ich hoffe, du bist gut nach Hause gekommen". So ist es doch sonst auch. Aber mein Handy bleibt diesmal stumm.

Bin übrigens da, schreibst du irgendwann. Viel mehr kommt nicht. Du schläfst die folgende Nacht schlecht, wirkst morgens schlecht gelaunt. Ich denke, dass ich dich besser in Ruhe lasse. Du hast wahrscheinlich genug um die Ohren, wenn du nach Hause fährst. Ich gebe dir Zeit, ich will dich nicht zusätzlich stressen, ich möchte nur, dass es dir gut geht. Schließlich hast du eine Kur gerade erst hinter dir. Ich beschließe mich am Abend für den schönen Vorabend zu bedanken. Eine Antwort bleibt aus.

Mir brennt eine Frage unter den Nägeln: Sehen wir uns wieder? Eher nicht, antwortest du. Ich verstehe die Welt nicht mehr. Warum? An welcher Stelle habe ich die Katastrophe bei unserem Date verpasst? Wie konnte ich mir einbilden, dass alles toll war? Ich schließe die Augen. Ich sehe den Abend noch einmal an mir vorbeilaufen. Es war alles perfekt, die Küsse, deine Umarmungen. Ich habe mich so wohl bei dir gefühlt. Wie wir uns minutenlang still in die Augen geschaut haben. Es tut mir leid, schreibst du und dann ist meine Nummer gelöscht.

Irgendwas ist anders seitdem. Ich lösche am nächsten Morgen mein Telefonbuch. Alle Ex-Dates raus, alle Typen, die mir irgendwann mal die Nummer geschickt haben, die ich warum auch immer gespeichert habe. Zu einigen der Nummern kenne ich nicht einmal mehr das Gesicht. Deine bleibt. 

Ich eleminiere mich aus diversen Singleapps. Bei einer bleibe ich, aber alles was neu versucht mit mir anzubandeln, bekommt böse Kontra. Keine Bilder, keine Küsschensmilies, keine netten Worte. Ich will keinen Mann im Moment und die Männer wollen mich deshalb umso mehr. Das Leben macht manchmal keinen Sinn. Ich unterhalte mich nur noch mit paar Leuten, die ich jetzt schon über ein Jahr kenne und die irgendwie mein Leben interessiert und nicht nur mein Arsch. Was geht? schreibt mein Langzeitchat. Erinnerst du dich, wie ich dir vor Wochen erzählt habe, dass ich mir ein Märchendate wünsche. Eins, wo alles perfekt ist, wo meine Augen leuchten, wenn ich daran zurückdenke und wo ich fröhlich grinsend nach Hause fahre? "Ja" Ich hatte das, erzähle ich weiter. "Dann willst du dich jetzt verabschieden, Hase?" fragt er. Er will mich nicht wiedersehen, antworte ich. Das Wunschdate hatte ich jetzt, aber ich würde mir eher wünschen ihn wiederzusehen.

Ein Wunsch - aber ob man es bekommt, ist was anderes, hast er mir damals geschrieben. Zu dem Zeitounkt hast du mir die Wünsche erfüllt, heute ist dann wohl das "Andere".