Dienstag, 20. Juni 2017

Früher war man direkt zusammen, wenn man sich nüchtern geküsst hat...

Ich hab gehofft, du bringst heute einen Mann mit, sagt Mama als ich Ostern zu Besuch vorbei komme. Ich? Einen Mann? Wen denn? denke ich. Herzaubern kann ich die auch nicht... Nee, denn wenn ich das könnte, wäre bereits einer da. Er wäre ein Traum. Es wäre einer dieser Männer, um den dich alle anderen Frauen beneiden. Mama kann es nicht verstehen, warum ich noch alleine bin. Ich habe zwei so hübsche Töchter, sagt sie, und beide sind alleine. Ich zucke mit den Schultern. Es ist nicht leicht heute jemanden kennen zu lernen. Es ist zwar nicht unmöglich, aber früher war es leichter. Guck mal, Mama, sage ich, stell dir vor du wohnst in einer großen Stadt wie Berlin. Da sind über 3 Millionen Menschen und wenn du da einen siehst, der dir gefällt und er dann im Getümmel von Menschen verschwindet. Den siehst du nie wieder. Oder online: Du schreibst am Anfang einmal was falsches und das kann es für diese Unterhaltung gewesen sein. Adiós - Auf Nimmerwiedersehen! Man wird nie herausfinden, ob es vielleicht doch funktioniert hätte. Aber du lernst doch so viele Leute kennen, ist denn da niemand dabei? fragt sie. Ich zucke wieder mit den Schultern. Da gibt es nichts, was mich so richtig beeindruckt. Sie fragt nach allen Männern, mit denen ich mich getroffen habe. Jeder wird einzeln diskutiert und trotzdem bleibt sie wieder bei einer Person hängen, wie eigentlich jedes Mal.

Was läuft denn da, fragt sie. Ich kann dir das nicht sagen, antworte ich und versuche dabei gleichgültig zu klingen. Sie lacht. Nächstes Mal bringst du den mit, führt sie aus, und dann weiss ich in 5 Minuten, was da läuft. Ich muss grinsen. Ich frage alles, droht sie weiter, da wirst du aus dem Raum flüchten, solche Fragen stelle ich. Wir müssen beide lachen. Es ist schwierig, sage ich. Wir diskutieren, warum es so schwierig ist heutzutage. Damals, als ich deinen Vater kennen gelernt habe, da hat man sich dann getroffen und dann war man zusammen, sagt meine Mama irgendwann. Ich lache: Sowas gibt es heutzutage nicht mehr! Heutzutage triffst du dich mehrmals mit den möglichen Anwärtern auf den Platz als Freund. Anscheinend will jeder sicher gehen nicht die Katze im Sack zu kaufen. Es ist doch nicht so, dass man eine Beziehung nie wieder trennen könnte, aber dennoch dauert das heute länger. Keiner traut sich über das Thema überhaupt zu sprechen, alles ist halt locker, jederzeit trennbar als wenn nie was gewesen wäre. Es gibt nicht diese filmreifen Szenen, in denen einer nach der Hand des anderen greift und sagt, du bist es, auf dich habe ich mein Leben lang gewartet. Eigentlich schade. Es sollte viel mehr dieser schönen Momente geben, wo man sich Jahre später noch gerne dran erinnnert. Die man den Enkeln erzählen kann, wenn man alt ist. Ich habe noch nie eine dieser Szenen erlebt.

Was zwingt die Menschen heutzutage dazu immer so auf sicher zu gehen? Oder was lässt sie so abstumpfen, dass alles nur locker gesehen wird und niemand mehr an sie heran darf? Gibt es richtige Gefühle noch? Oder sind das alles zur vorgespielte Geschichten, die jedes Paar für sich erfindet um das ***Perfekte Paar*** zu sein. Ist das ein Wettkampf heutzutage? Warum traut sich niemand mehr zu springen und in Kauf zu nehmen möglicherweise zu fallen - wenn nach dem Sprung die Chance auf Fliegen besteht? Wir sollten wieder mehr wagen. Wir sollten sein, wie unsere Eltern früher.

Früher war man direkt zusammen, wenn man sich nüchtern geküsst hat...
Heute hat man seit einem halben Jahr was am Laufen, zusammen den Mount Everest bestiegen, ein Haus gebaut, 2 Waisenkinder aufgenommen und es ist immer noch nicht klar was läuft...

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