Mittwoch, 20. September 2017

Walls


Wir hatten bereits ein paar nette Dates. Ich stehe nachts um 02:00 Uhr auf um ihn an einer vereinbarten Stelle abzuholen und wir tun auch als wir bei mir sind alles andere als Schlafen. Wie kann ich das je wieder gut machen, fragt er, ich weiß, ich koche für dich. Der nächste Tag ist für mich die Hölle. Ich schaffe es kaum die Augen auf zu halten und es ist unfair zu wissen, dass er jetzt schön pennt. Als ich Zuhause bin, falle ich totmüde aufs Sofa und schlafe sofort ein. Er hat nicht gekocht, das waren nur leere Versprechungen, er ist nicht mal Zuhause. Handy klingelt, er ruft an. Lass in die Sauna, sagt er. Ich kann nicht, ich bin zu müde, entgegne ich. Okay, dann geh ich alleine, sagt er, legt auf und dann höre ich stundenlang nichts von ihm. Forgiven chance, denke ich, wieder nicht beim ersten Mal gehandelt und du hast bei ihm nur die eine Chance. Take it or leave it. Ich entscheide auf "Take it" und erzähle ihm noch am gleichen Abend, was in mir vorgeht, wie ich denke, was ich fühle. "Das sollten wir möglich machen, wenn wir beide das so mögen. Unsere zartesten Gefühle und schmutzigsten Gedanken ausleben, du bist eine Inspiration in vielen Bereichen. das hätte ich nicht auf den ersten Blick vermutet .." sagt er und wir lassen offen, wie das mit uns weiter geht.

Ich kuschel mich in seinen Arm. Deshalb kann ich jetzt auch sagen, sagt er und stockt dann kurz: Ich liebe dich. Mir schießen in dem Moment tausend Dinge durch den Kopf, aber ich kann darauf nicht antworten. Ich krieg gerade kein Wort über die Lippen. Du hast mich sprachlos gemacht, denke ich, das hat vor dir noch niemand geschafft. Ich war noch nie so fasziniert von einer Person, so begeistert von jedem Schritt, den sie tut, jedes Wort, was sie sagt. Doch genauso euphorisch, wie seine Liebesbekundungen auf mich einprasseln, so schnell ist er auch wieder weg und ich höre nichts mehr von ihm. "hab wohl bedenken dich zu verletzen.. aber dass ich dich sehr mag und die Zeit mit dir genieße weißt du ja bereits:).." ist eines der letzten Dinge, die ich von ihm lese. Du hast mich bereits verletzt, mit mir gespielt und sämtliche Gefühle durch den Dreck gezogen, du hast mir das vorgelogen, was ich hören wollte, mir versprochen, wonach ich mich sehnte, wir haben die Anzahl unserer Kinder diskutiert, du hast mich aus meiner Sicherheitszone geholt und mich dann elendig zu Grunde gehen lassen. Nichts anderes. Ich weiss seitdem wie sehr Liebe weh tun kann, auch, wenn sie noch ganz klein ist und ich hab mir geschworen nie wieder jemandem die Chance zu geben mich so zu verletzen.

Und da sitze ich nun in einer hübschen Hülle aus Selbstbewusstsein, Schlagfertigkeit und einer Prise Humor. Ein hübsches Bild von aussen, aber leider unmöglich nach innen zu schauen. Es ist wie das Bild des Clown, der nach aussen lacht, aber innen weint. Ich habe mir einen Schutzwall gebaut. Ich greife eher an, um gar nicht erst in die Verteidigerposition zu kommen. Meine Verteigung ist nicht gut, sie ist ehrlich gesagt ziemlich schlecht. Ich reagiere auf jedes nette Wort, auf jede Berühung, jeder Blick. Ich sehne mich nach einer intakten Beziehung, die mich aus den Schutzmauern holt, weil ich die dann nicht mehr brauche. Jemand, der mir die Hand gibt und mich mit einem Ruck raus zieht. Ich habe gelesen, es gibt Menschen, für die ist Liebe so zu sagen das Plus zu einem perfekten Leben und es gibt Menschen, für die ist Liebe das, was das Leben erst perfekt und lebenswert macht. Ich gehöre in die zweite Gruppe, definitiv. Ich merke, wie ich anfange mich selbst unter Druck zu setzen, Dinge zu tun, für die ich nicht bereit bin, weil mir die Sicherheit fehlt. Irgendwann muss ich da wieder raus. Irgendwann ist möglicherweise jetzt. Ich kann mir aussuchen, ob ich mich selbst zu Grunde richte oder ob ich es jemand anderen machen lasse. Was sollte im schlimmsten Fall passieren? Glücklich sein? Okay, das Risiko nehme ich in Kauf.

Wie daten uns seit 3,5 Monaten. Er ist perfekt und mit perfekt meine ich perfekt, ich mag jede noch so ätzende Kleinigkeit an ihm. Er sieht lauter Fehler, ich sehe Ecken und Kanten. Nur eine Null wäre rund... Ich würde ihm so viel so gerne sagen: wie zauberhaft diese ganzen kleinen Dinge sind, die du für mich tust, wie gerne ich in deiner Nähe bin, wie sicher ich mich bei dir fühle, wie oft ich an dich denke, wenn du nicht da bist, wie schön deine Augen leuchten, wenn du manche Geschichten oder Pläne erzählst, wie stolz ich bin, wenn du in der Öffentlichkeit meine Hand nimmst und wie gerne ich dir einfach stundenlang in deine schönen Augen schauen und einfach nichts anderes tun würde. Du bist oft das letzte, woran ich denke, bevor ich einschlafe. Er weiss das alles nicht, maximal ahnt er es, denn ich bin mal wieder zu dumm in seiner Gegenwart meinen Mund auf zu machen. Alle meine Dates in der Vergangenheit liefen super, alles meine Dates in der Vergangenheit waren absolut bedeutungslos. Überall habe ich stundenlang gequasselt und wenn ich jetzt vor ihm stehe, kriege ich kein Wort raus und stottere ganz dumme Dinge vor mich hin! Ich kann immer über alle Themen reden - egal wie kompliziert, egal wie gefühlsbeduselt, egal wie schwierig. Aber ich kann dir nicht sagen, dass ich dich mag. Weder am Telefon. Noch ins Gesicht. Das tut mir leid. Aber ich krieg das nicht über die Lippen und das ist das, was mich im Moment am meisten stört und ich glaube mir vieles kaputt macht. Warum ist das so? Das ist so, sagt meine Freundin, weil da Gefühle im Spiel sind. Recht hat sie und die waren vorher nie da, nicht in der Form. Damit kann ich gerade nicht richtig umgehen, denn jedes Mal, wenn ich jemandem diesen Teil von mir gezeigt habe, dann hat er mich verletzt. Ich hatte sonst immer einen Plan B. Hier gibt es keinen Plan B, kein Ersatz, nichts. Ich hab Angst... da ist wieder dieses böse Wort... Ich hab Angst seine Vorstellungen nicht erfüllen zu können. Ich bin furchtbar, es fällt mir unheimlich schwer auf seine Vorschläge für zum Beispiel Freizeitaktivitäten einzugehen. Ständig gibt es nur ein Nein von mir. Ich muss damit aufhören! Er hingegen kommt mir ständig entgegen, ich fühle mich schon richtig schlecht deswegen. Ich denke, es wird Zeit daran etwas zu ändern, nein, ich weiss, ich werde etwas ändern müssen, wenn ich will, dass es besser wird!

Vor einigen Monaten habe ich gelernt, wie sehr man mich verletzten kann, wenn ich meinen Schutzwall zu schnell öffne. Jetzt würde ich gerne lernen, wie es ist, wenn man diesen gar nicht mehr braucht.

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